Andrea König ist Soziologin, Business Mentaltrainerin und Gründerin von Karrieregeflüster.…
Kommunikation, die Non-Desk-Mitarbeitende nicht erreicht, ist keine funktionierende Kommunikation. Und doch zeigen aktuelle Studien, dass genau das vielerorts Realität ist. Während in Büros Mails, Meetings und Apps für ständige Updates sorgen, bleiben jene außen vor, die keinen festen Bildschirmarbeitsplatz haben. Das ist kein Randproblem, sondern ein struktureller Blindspot mit weitreichenden Folgen für Vertrauen, Zugehörigkeit und Unternehmenskultur.
Wer nichts weiß, kann nicht mitreden
Es ist ein trügerisches Gefühl von Sicherheit, das viele Unternehmen umgibt. Denn auf dem Papier scheint alles klar: Es gibt ein Intranet, eine Mitarbeitenden-App und Führungskräfte sind „kommunikativ geschult“. Doch zeigen aktuelle Zahlen ein ganz anderes Bild: Laut der 2025 International Employee Communication Impact Study sind nur 9 Prozent der Non-Desk-Mitarbeitenden wirklich zufrieden mit der internen Kommunikation. Fast 40 Prozent bewerten sie als mäßig oder schlechter. Das wirft eine unbequeme Frage auf: Warum erreichen wir ausgerechnet jene Menschen so schlecht, die unsere Arbeit vor Ort überhaupt erst möglich machen?
Kommunikation ist kein Goodie, sondern Voraussetzung für Teilhabe
Oft wird Kommunikation als etwas betrachtet, das „on top“ stattfindet. Ein netter Bonus, wenn Zeit bleibt. Doch damit reproduzieren Unternehmen genau das, was sie eigentlich vermeiden wollen: Hierarchien des Wissens, der Teilhabe und des Respekts. Denn wenn relevante Informationen nur an Menschen gehen, die täglich am Laptop sitzen, dann wird Zugehörigkeit zur Frage des Zugangs. Und das schafft Distanz, nicht Nähe. Vertrauen entsteht nicht durch ein schickes App-Design, sondern durch Verlässlichkeit, Transparenz und Augenhöhe. Kommunikation muss also mehr sein, als ein Verteilen von Informationen. Sie muss Beziehungen stiften, und das geht nur, wenn alle gemeint sind – nicht nur jene, die ohnehin schon mittendrin sind.
Was du heute tun kannst, um Non-Desk-Teams wirklich einzubinden
Ich weiß aus vielen Gesprächen mit HR-Verantwortlichen: Oft fehlt es nicht am Willen, sondern am Wie. Deshalb hier ein paar einfache, aber wirksame Impulse, die sofort umsetzbar sind, ohne riesiges Budget oder monatelange Projekte.
Persönliche Briefings in den Schichtstart integrieren
In einigen Pflegeeinrichtungen oder Produktionsbetrieben gibt es mittlerweile tägliche oder wöchentliche Kurzbriefings direkt zu Schichtbeginn, durch Teamleitungen oder Buddies. Dabei geht es nicht nur um operative Themen, sondern auch um „das große Ganze“: Unternehmensziele, anstehende Veränderungen, kulturelle Themen. Der Schlüssel: Es sind persönliche Begegnungen, keine Aushänge.
Digitale Screens mit Echtzeit-Infos an zentralen Orten
Ein Unternehmen aus der Logistikbranche nutzt Bildschirme in Pausenräumen und Eingangsbereichen, um in kurzen Loops aktuelle Informationen aus allen Unternehmensbereichen zu zeigen: in einfacher Sprache, mit Bildern, teilweise sogar mit kurzen Videobotschaften. So sind auch jene informiert, die keinen festen PC-Zugang haben.
Voice-Messages vom Management Board statt geschriebener Updates
Ein bestechend simples Beispiel kommt von einem mittelständischen Produktionsbetrieb: Der Geschäftsführer verschickt regelmäßig kurze Sprachnachrichten über die Mitarbeitenden-App. Das wirkt nahbar, spart Zeit und senkt die Hürde für Menschen, die sich mit viel Text schwer tun. Und: Es schafft Vertrauen, weil Stimme Authentizität transportiert.
Interne Kommunikation mehrsprachig denken
Ein Unternehmen aus dem Einzelhandel hat begonnen, interne Informationen in den Sprachen aufzubereiten, die unter den Mitarbeitenden am häufigsten gesprochen werden. Das ist nicht nur inklusiv, es zeigt auch echte Wertschätzung.
Feedbackmöglichkeiten schaffen: analog und digital
Ob ein physischer Briefkasten, eine monatliche Feedbackrunde in der Schicht oder eine digitale Ideen-Wand: Wer wirklich wissen will, wie Kommunikation ankommt, muss auch zuhören. Genau dafür braucht es Kanäle, die für alle zugänglich sind.
Kommunikation braucht Haltung und nicht nur Technik
Technische Lösungen gibt es viele, aber keine App ersetzt Haltung. Und Haltung bedeutet: Ich nehme ernst, was Menschen wissen wollen. Ich traue ihnen zu, Zusammenhänge zu verstehen. Und ich erkenne an, dass Information eine Form von Respekt ist. Vielleicht müssen wir Kommunikation wieder als das verstehen, was sie im Kern ist: ein soziales Geschehen. Kein Sender:innen-Empfänger:innen-Modell, sondern ein ständiger Aushandlungsprozess. Das bedeutet: Weg vom Einweg-Kommunizieren, hin zum Dialog und vor allem weg von der reinen Informationsflut, hin zur Einbettung in Sinn und Kontext.
Fazit: Wer Menschen erreichen will, muss sich bewegen
Wenn nur ein Bruchteil der Mitarbeitenden das Gefühl hat, wirklich informiert zu sein, dann ist das keine Nebensache, sondern ein Weckruf. Kommunikation entscheidet darüber, ob sich Menschen als Teil des Ganzen fühlen oder nicht. Genau dieser Unterschied ist entscheidend für Motivation, für Loyalität und schlussendlich für Kultur. Vielleicht ist das der wichtigste Punkt: Kommunikation darf nicht voraussetzen, dass Menschen sich anpassen, sondern sie muss sich an die Lebensrealitäten der Menschen anpassen.
Was denkst du: Wie gelingt es in deinem Unternehmen, wirklich alle Mitarbeitenden mitzunehmen? Welche Formate funktionieren gut und wo brauchst du vielleicht einen neuen Zugang?
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Andrea König ist Soziologin, Business Mentaltrainerin und Gründerin von Karrieregeflüster. Sie schreibt über mentale Gesundheit, New Work mit Haltung und systemische Widersprüche in der Arbeitswelt – klar, kritisch und immer mit Fokus auf den Menschen.