Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und…
Hast du dir schon einmal die Frage gestellt, was für einen Menschen, dein Beruf aus dir gemacht hat bzw. macht? Warum stehst du jeden Morgen auf und gehst zur Arbeit? Warum arbeitest du eigentlich? Diese essentiellen Fragen sind oft gar nicht so einfach zu beantworten. In diesem Blogpost geben dir 6 Entwicklungsstufen eine konkrete Hilfestellung, deine ganz persönliche Antwort auf diese Fragen zu finden …
Die Suche nach dem Sinn
Sind wir ständig auf der Suche oder haben wir ihn schon gefunden, den großen Sinn im Leben? Warum sind wir hier? Um etwas zu schaffen? Um nichts zu schaffen? Fakt ist, Arbeit nimmt einen hohen Stellenwert in unserem Leben ein, doch die Gründe, warum wir arbeiten können unterschiedlicher nicht sein. Je nach Alter, Lebensstandard, Bildung, Lebensort uvm. verändern sich die Motive. Doch ist es meiner Meinung nach kein Generationenphänomen.
Ich selbst zähle zwar zur Generation Y („WHY“), eine sinnvolle Arbeit ist mir äußerst wichtig – aber mindestens genauso wichtig sind mir weitere Aspekte, die zu meinem Leben zählen, wie meine Familie und meine Hobbys (wie zB dieser Blog). Somit möchte ich all diese Dinge, die mir Freude bereiten und mich motivieren, in Einklang bringen. Ich gehe davon aus, dass ich mit diesem Vorhaben nicht alleine bin. Vielleicht hast sogar du dich in dem ein oder anderen Punkt wiedergefunden? Und vielleicht zählst du dich zu einer anderen Generation, hast einen anderen Bildungshintergrund und wohnst nicht in Wien.
Arbeit & Motivation
Die Frage nach dem Sinn ist unweigerlich mit jener der Motivation verbunden: Haben wir den vermeintlichen Sinn hinter unserem Tun gefunden, so sind wir intrinsisch motiviert unsere Aufgaben zu erledigen. „Wer Leistung will, muss Sinn bieten!“ Diese Annahme ist eine essentielle, wenn es um das Thema „Führung von Mitarbeitenden“ geht. Es gibt unzählige Ratgeber, Thesen, Konzepte uvm. wie man seine Mitarbeitenden motivieren kann, damit sie noch mehr Leistung bringen. Die neuesten Erkenntnisse aus der Hirnforschung zeichnen jedoch ein komplett anderes Bild. Dr. Gerald Hüther, einer der bekanntesten Neurobiologen, attestiert, dass man Menschen nicht motivieren kann, jedoch einladen, ermutigen und inspirieren. Dies widerlegt das Bild, welches seit Jahrzehnten die Arbeitswelt prägt, dass Menschen nur Leistung bringen, in dem man sie motiviert und/oder bestraft.
Wenn nun aber der Beweggrund meiner Arbeit allein darin besteht, in der Gesellschaft etwas zu bedeuten, ein Jemand zu sein, sind all diese signalisierenden Dinge nichts weiter als Prothesen meines Selbstwertgefühls. Sie dienen allein dazu, die Bedürfnisse unseres Egos zu befriedigen.
Dieter Lange, Trainer, Speaker & Coach
Die Entwicklungsstufen des „Warums“
In meiner Recherche nach dem Warum wir eigentlich arbeiten, bin ich auf Trainer, Speaker und Coach Dieter Lange gestoßen. Im Zuge seiner Beratungstätigkeit verbindet er östliche Weisheiten mit westlichen Wissen und zeigt damit neue Lösungswege auf. Er meint, dass man verschiedene Entwicklungsstufen berücksichtigen muss, die wir in unserem Leben durchlaufen, möchte man die Frage nach dem Warum beantworten. Diese sechs einzelne Stufen sind folgende:
Stufe 1: Existenz sichern
Auf dieser ersten Stufe arbeiten wir schlicht und einfach, um unsere Existenz zu sichern. Viele Menschen würden deshalb auf die Frage nach dem Warum so antworten: „Damit ich etwas zu Essen habe.“ Hier geht es um das bloße Überleben bzw. ohne dabei den Rest ihrer Selbstachtung und Menschenwürde zu verlieren. In Europa bzw. in Österreich sieht es zum Glück großteils anders aus: Unsere Nöte sind lange nicht so dringlich, wie beispielsweise jene von Menschen in Entwicklungsländern, da wir ein dichtes Sicherheitsnetz aus dem Sozialstaat haben. Deshalb weisen unsere Bedürfnisse auf dieser ersten Stufe schon in eine andere Richtung. Hier geht es eher ums Überleben mit einem gewissen Komfort, wie beispielsweise einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren oder um Bedürfnisse mit Konsum- und Luxusgütern zu befriedigen. Zusammengefasst: Auf dieser Stufe stehen wir morgens auf um zur Arbeit zu gehen, um unsere Existenz zu sichern.
Stufe 2: die Angstlust
Haben wir die Gewissheit, dass unsere Existenz gesichert ist, steigen wir eine Stufe höher. Paradoxerweise möchten wir hier jenes Bedürfnis befriedigen, das wir auf Stufe 1 in Bezug auf unsere Existenz gerade abgeschafft haben. Wir möchten Unsicherheit verspüren, die sogenannte „Angstlust“, wie es die Psychologie nennt. Der Mensch strebt nach Geborgenheit & Aufregung gleichermaßen. Fühlen wir uns also sicher, möchten wir wieder etwas Aufregendes erleben. Auf dieser zweiten Stufe möchten wir uns den Luxus der Herausforderung leisten, um uns wiederum lebendig zu fühlen und vor allem zu wachsen. Deshalb haben Menschen mit sehr sicheren Jobs auch meist sehr aufregende Hobbys, wie Tauchen, Fliegen oÄ, um wieder das Gefühl von Lebendigkeit/Leben zu spüren. Warum wir arbeiten? Auf dieser Stufe lautet die Antwort: Um das aufregende Gefühl von Unsicherheit zu erfahren. No risk, no fun – aber nur, wenn Stufe 1 als gesichert gilt.
Stufe 3: Aufmerksamkeit & Bedeutsamkeit
Arbeite und lebe ich nun in einer Art Gleichgewicht aus Sicherheit und Unsicherheit, begebe ich mich auf die dritte Stufe. Jetzt geht es darum, dass ich mit meiner Arbeit die Aufmerksamkeit anderer auf mich ziehen möchte. Ich möchte durch meine Arbeit etwas besonderes sein, etwas bedeuten, etwas darstellen. Genau dies erreiche ich durch bestimmte Statussymbole, wie eine tolle Berufsbezeichnung, schicke Dienstwagen, angesehen Geschäftsbeziehungen oder der Urlaub im angesagten 5-Sterne-Hotel. Auf dieser dritten Stufe arbeiten wir, um vermeintliche Bedeutsamkeit zu erlangen.
Dieter Lange beschreibt all diese Dinge als „Prothesen des Selbstwertgefühls“: „Wenn nun aber der Beweggrund meiner Arbeit allein darin besteht, in der Gesellschaft etwas zu bedeuten, ein Jemand zu sein, sind all diese signalisierenden Dinge nichts weiter als Prothesen meines Selbstwertgefühls. Sie dienen allein dazu, die Bedürfnisse unseres Egos zu befriedigen.“ Lange meint weiters, dass das Motiv auf den Stufen 1-3, aus dem heraus wir handeln, schlichtweg Angst ist. Um diese Angst zu überspielen, leben wir nach dem Motto: Je mehr desto besser. Genau aus diesem Grund sind Menschen, die dieser 3 Motive wegen arbeiten, nie zufrieden, egal zu wieviel Wohlstand sie auch damit kommen. Der Vergleich mit den anderen, die immer besser, weiter, höher sind, ist immer gegeben.
Erst gehabt zu haben befreit schließlich vom Habenmüssen!
Dieter Lange, Trainer, Speaker & Coach
Stufe 4: die Transformation
Lange beschreibt, dass wir uns auf diese vierte Stufe begeben, wenn der Leidensdruck, der mit einer inneren Unzufriedenheit einhergeht, zu stark wird oder weil wir uns für eine Sache total begeistern können. Leid oder Leidenschaft lassen den Menschen wachsen. Menschen, die erkannt haben, dass die Stufen 1-3 nicht alles im Leben gewesen sein können, begeben sich auf diese 4. Stufe, indem sie ihr Dasein transformieren. Es meint keine Veränderung im Sinne „mehr vom selben“, sondern eine Umwandlung in etwas gänzlich Neues. Dies bedeutet vor allem eine innere Umkehr in Richtung Selbstverwirklichung.
Das Motiv ist nun keine Angst mehr, sondern Liebe – die Motivation ist nicht mehr extrinsisch sondern intrinsisch. Es geht darum, innerlich zu wachsen: „Darüber hinaus verinnerlichen wir, dass das Leben eine Berg- und Talfahrt ist, und lernen, dies zuzulassen, ebenso wie wir akzeptieren, dass alle vermeintlich positiven Dinge, auch Erfolg, Schattenseiten haben.“ Die Antwort, warum wir arbeiten gehen, lautet auf der 4. Stufe also: um innerlich zu wachsen. Es bleibt aber auch hier die Voraussetzung, dass die ersten drei Stufen durchlaufen und als letztlich unbefriedigend erlebt wurden.
Stufe 5: einen Beitrag leisten
Ist unser inneres Wachstum auf seinem Höhepunkt angekommen, sind wir in der Lage, anderen abzugeben. Auf dieser 5. Stufe können wir andere Menschen mit dem beschenken, was wir an Freude und Gelassenheit zu geben haben. Ab diesem Zeitpunkt fühlt sich das Geben besser an, als das Nehmen. Wir arbeiten also nicht mehr nur, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen und selbst zu wachsen. Deshalb lautet die Antwort auf unsere Frage hier: Ich arbeite, um einen Beitrag zu einer Welt zu leisten, in der ich leben möchte.
Stufe 6: die Selbstverwirklichung
Diese 6. Stufe besteht aus der Kumulation aller anderen Stufe. Hier haben wir den Sinn des Menschseins verwirklicht, wir haben unser Selbst verwirklicht. Wir sind hier einfach, wer wir sind – alles andere kommt, so wie es kommt. Waren „haben“ und „tun“ auf den ersten Stufen gefragt, ist es hier das „Sein“.
Warum arbeitest du eigentlich?
Diese 6 Stufen dienen als gute Struktur, um auch selbst reflektieren zu können, wo man gerade steht. Die Stufen 1-3 kann man übrigens nicht überspringen oder umgehen: „Erst gehabt zu haben befreit schließlich vom Habenmüssen“, so Dieter Lange. Hast du dir selbst schon einmal Gedanken gemacht, was du am Ende deiner Berufslaufbahn antworten würdest, wenn dich jemand fragt: „Was für einen Menschen hat dein Beruf aus dir gemacht?“ Ich finde, dies ist eine sehr schöne Frage, auch um das Selbstbild zu schärfen und sich selbst bewusst zu machen, wer man ist bzw. wer man sein möchte. Dies wirkt sich nämlich auch unweigerlich auf das eigene (Arbeits-)Umfeld aus und kann Motivation oder vielleicht sogar Leichtigkeit im Alltag entstehen lassen. Denn es kommt aus einer ganz wichtigen und wertvollen Quelle: dir selbst!
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Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und Gründerin des Blogs „Karrieregeflüster“. New Work sieht sie als Chance, die beste Version von uns selbst zu sein und somit nachhaltig die Arbeitswelt zu verändern.