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Überidentifikation: Was tun, wenn der Purpose zu sehr kickt?

Überidentifikation: Was tun, wenn der Purpose zu sehr kickt?

Überidentifikation – ein Begriff, der zunächst positiv klingen mag, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als tückischer Balanceakt zwischen beruflicher Leidenschaft und persönlichem Wohlbefinden. Was passiert, wenn der Sinn und Zweck deiner Arbeit plötzlich zu deinem einzigen Lebenszweck wird? Wenn du merkst, dass dein Job nicht nur ein Teil deines Lebens ist, sondern es vollständig bestimmt? In diesem Artikel erfährst du, wie Überidentifikation entsteht, welche Risiken sie birgt und vor allem, wie du den „Purpose-Kick“ zügelst, um deine Work-Life-Balance zu retten.

In einer Arbeitswelt, in der Sinnhaftigkeit und Purpose immer wichtiger werden, klingt es verlockend, sich mit voller Leidenschaft dem eigenen Job hinzugeben. Unternehmen werben um neue Talente mit Sinnhaftigkeit und versuchen damit auch gleichzeitig bestehende Mitarbeitende zu halten. Purpose ist das Thema, an dem niemand vorbeikommt. Zugegeben, es ist auch nicht die einfachste Aufgabe jedem/jeder Mitarbeitenden den Sinn der eigenen Tätigkeit zu vermitteln bzw. auch das sogenannte „Big Picture“, in welches das eigenen Tun einzahlen sollte. Während sich, wie beschrieben, viele Unternehmen diese Aufgabe zum Ziel gesetzt haben, wird oft außer Acht gelassen, was mit Mitarbeitenden passiert, wo „der Purpose zu sehr kickt“ – wo sich also Mitarbeitende mit ihrem/ihrer Arbeitgeber:in bzw. Job zu sehr identifizieren.

Zur Überidentifikation mit dem Unternehmen und/oder mit dem eigenen Aufgabengebiet kann es in unserer Purpose-getriebenen Arbeitswelt relativ schnell kommen. Auf der einen Seite ist die Unternehmenskultur ein wichtiger Einflussfaktor: Viele Unternehmen betonen die Wichtigkeit einer starken Mission und Gemeinschaft. Das schafft Bindung, aber auch das Risiko, dass Mitarbeitende sich überfordert fühlen oder keine Grenzen mehr ziehen. Aber auch die Purpose-getriebene Arbeit ist maßgeblich daran beteiligt, steigert sie die eigene intrinsische Motivation. Mitarbeitende identifizieren sich stark mit dem Sinn und Ziel ihres Tuns. Diese Identifikation ist oft gewünscht, kann jedoch kippen, wenn sie übermäßig wird. Auf der anderen Seite spielt die individuelle Ebene eine weitere besondere Rolle: Menschen mit Perfektionismus, einem hohen Bedürfnis nach Anerkennung oder der Tendenz, sich stark über Arbeit zu definieren, sind besonders anfällig für Überidentifikation.

Überidentifikation beschreibt zusammengefasst eine enge emotionale Bindung an den Job oder den/die Arbeitgeber:in, die so intensiv wird, dass sie das eigene Wohlbefinden bzw. jenes der anderen und die Work-Life-Balance beeinträchtigen kann. Dies geschieht häufig in Berufen oder Unternehmen, die eine starke Mission oder einen hohen gesellschaftlichen Wert vertreten. Mitarbeitende wollen nicht nur Teil des Teams sein, sie verschmelzen mit der Mission – und das kann zum Problem werden:

Starker Selbstwertbezug auf den Job: Erfolg oder Misserfolg bei der Arbeit beeinflussen das Selbstbild

Rolle wird zur Identität: Man definiert sich überwiegend über die berufliche Position

Unersetzlichkeitsgefühl: Das Gefühl, dass ohne die eigene Arbeit alles zusammenbrechen würde

Physische und psychische Belastung: Dauerhafter Stress, Schlafprobleme oder sogar Burnout

Destruktives Verhalten: Unverständnis und sogar Wut/Ärger über Kolleg:innen, die nicht denselben Purpose wie man selbst verspürt

Die große Gefahr wenn der Purpose zu sehr kickt, ist definitiv, dass alle anderen Lebensbereiche, die es neben Job gibt, auf der Strecke bleiben. Aus dem eigenen Job schöpft man Kraft, Anerkennung und Motivation weiter hart an den Projekten und Aufgaben zu arbeiten. Dieser Boost kann natürlich zu einer Art Abhängigkeit führen, da man glaubt, ein derart positives Gefühl bzw. diese Resonanz nur aus dem Arbeitskontext ziehen zu können. Die Work-Life-Balance erodiert und man befindet sich plötzlich nur mehr in der eigenen „Work-Blase“. Das „Life“ findet wenn dann nur mehr an den Wochenenden statt. Weiters sieht man Pausen als „verschwendete Zeit“, sowie als nicht notwendig an – man befindet sich ja sowieso in einem High aus Anerkennung und Motivation. Doch irgendwann kommt man an den Punkt, wo dieses eigene Konstrukt ins Wanken bzw. sogar ins Bröckeln gerät. Die Folge: Erschöpfung und sogar Burnout durch den Dauerstress, den man bislang gar nicht als diesen empfunden hat. Rückschläge? Kritik? Ein bislang nie da gewesenes Phänomen, welches plötzlich existenzielle Krisen auslösen kann. Die eigene Identität ist nämlich so stark an den Beruf geknüpft, dass derartige „Rückschläge“ sehr persönlich genommen und somit oft nicht verkraftet werden.

Eine bewusste Selbstreflexion und konkrete Maßnahmen können helfen, die Balance wiederzufinden. Frage dich, wer du außerhalb deines Jobs bist, welche Werte unabhängig von deiner Arbeit gelten und was dir Energie gibt. Definiere klare Start- und Endzeiten für deine Arbeit, lerne „Nein“ zu sagen und plane bewusst Pausen ein, um Energie zu tanken. Pflege Hobbys und Interessen, die dir helfen, Abstand zur Arbeit zu gewinnen, und stärke deine sozialen Netzwerke mit Familie und Freunden, die dir Halt und Perspektive geben. Um Stress abzubauen, praktiziere Achtsamkeit oder Meditation und suche Unterstützung durch Coaching oder Gespräche mit Mentor:innen. Auch Unternehmen tragen Verantwortung, eine gesunde Balance für ihre Mitarbeitenden zu fördern. Flexible Arbeitszeiten, Pausen und klare Kommunikation über Ziele sowie Arbeitsumfang können helfen. Wertschätzung der Mitarbeitenden nicht nur für Ergebnisse, sondern auch für ihren Einsatz als Menschen ist essenziell, um eine nachhaltige Arbeitskultur zu schaffen.

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Purpose und Sinnhaftigkeit in der Arbeit sind wichtige Faktoren für Motivation und Zufriedenheit. Doch wenn der Purpose überhandnimmt, ist es wichtig, einen Schritt zurückzutreten und die eigene Balance wiederzufinden. Du bist mehr als dein Job – finde die richtige Mischung aus beruflichem Engagement und persönlichem Wohlbefinden.

Die Wellen, um die wir uns kümmern, sind nicht immer der Ozean

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