Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und…
Unternehmen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen möchten, sind gefordert, diese nicht nur im realen Raum, sondern vor allem auch im digitalen Raum zu übernehmen: Inklusion und digitale Barrierefreiheit werden nicht nur gesamtgesellschaftlich immer wichtiger. Vor allem im Kontext von Employer Branding zeigt sich, ob Unternehmen dies authentisch leben oder nicht. Worauf es wirklich ankommt und mit welchen einfachen Methoden man rasch für digitale Barrierefreiheit sorgen kann, gibt’s hier nachzulesen …
Die soziale Revolution am Arbeitsmarkt
Die Arbeitswelt wird sozialer. Dies ist eine Folge des demographischen Wandels, der den sogenannten „Arbeitgeber*innen-Markt“ in einem „Arbeitnehmer*innen-Markt“ gewandelt hat, da nun immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter zur Verfügung stehen. Dieser soziale Wandel zieht mehrere Konsequenzen nach sich. Eine davon, die wir alle am meisten spüren, ist, dass sich die Arbeitswelt immer mehr an den Bedürfnissen der Menschen ausrichtet, anstatt umgekehrt. Unternehmen stellen mehr und mehr die Mitarbeitenden in den Mittelpunkt ihrer Geschäftsmodelle und Prozesse und bieten gezielt Maßnahmen, um die Attraktivität für Talente zu erhöhen bzw. um diese auch nachhaltig zu binden.
Was bedeutet eigentlich Inklusion?
Diese kleine „soziale Revolution“ hat demnach auch zur Folge, dass Unternehmen inklusiver werden müssen. Kulturelle Maßnahmen, aber auch die Ansprache der externen Talente im Employer Branding, sollte sich nicht mehr großteils an „junge, weiße Männer“ richten. Doch was bedeutet „Inklusion“ nun konkret? Ich habe eine sehr schöne Definition von lebenshilfe.at gefunden, die ich hier gerne teilen möchte:
„Inklusion beschreibt, wie wir als Mitglieder der Gesellschaft leben möchten: In einem Miteinander, in dem keine Person ausgeschlossen wird. Jeder Mensch ist ein anerkannter Teil der Gesellschaft. Unabhängig von Herkunft, Behinderung, sexueller Orientierung oder Lebensalter. Alle Menschen sind verschieden. Die Gesellschaft profitiert von der Vielfalt der Einzelnen.“
Meine Learnings zu digitaler Barrierefreiheit
Genau diese Haltung, sollte sich vor allem in Unternehmen widerspiegeln, damit auch der Arbeitsplatz inklusiver gestaltet wird. Ich beobachte jedoch des öfteren, dass Unternehmen bereits Schritte dahingehend setzen möchten, doch oft fehlt das Wissen und auch ein gewisses Maß an Sensibilisierung. Ich nehme mich selbst hier nicht aus. Es ist schwierig nachzuvollziehen, worauf man im Umgang bzw. in der Ansprache von Menschen mit Behinderung achten muss, wenn man selbst keine hat. Deshalb nahm ich heuer zum ersten Mal am Disability Confidence Day von myAbility teil. Ein Tag, rund um Menschen mit Behinderungen und wie wir die Arbeitswelt inklusiver gestalten können. Vor allem der Workshop zum Thema „Barrierefrei auf Social Media unterwegs“ interessierte mich sehr. Gerne möchte ich meine Learnings mit dir teilen:
Zeige Menschen mit Behinderungen nicht nur, wenn es um das Thema Inklusion geht
Vielfalt von Menschen mit Behinderungen und inklusive Settings in Bildern zeigen
Personen mit Gesichtern zeigen
Achtung bei Stock-Fotos: Oft werden Menschen mit Behinderungen von Menschen, die keine solche haben, dargestellt. Dies mag man als Laie zwar nicht erkennen, doch Menschen mit Behinderungen fällt dies sehr wohl auf
Keine Opfer- und Held:innen-Geschichten („Sie leidet an ..“; „Das war ein schrecklicher Schicksalsschlag“ etc.)
Keine Angst vor dem Wort „Behinderung“ / „behindert“, denn nur, wenn man es ganz selbstverständlich verwendet, kann die negative Stigmatisierung verschwinden
Falsche Gegensätze vermeiden: Das Gegenteil von „behindert“ ist nicht „gesund/normal“, sondern „nicht behindert“
Einfache verständliche Sprache verwenden: kurze Sätze, einfacher Satzbau, aktive Sprache & sparsame Verwendung von Fachbegriffen, Fremdwörtern und Anglizismen
Quelle: myAbility
Alternativtexte
Wichtig für Menschen mit einer Sehbehinderung ist die Beschreibung von Bildern, da diese per Screenreader vorgelesen werden. Es gibt nun 2 Möglichkeiten, wie man beispielsweise ein Social Media Posting mit Alternativtext vorbereiten kann:
- LinkedIn, Facebook, Instagram & Co bieten ein extra Feld „Alternativtext“, in welches man die Bildbeschreibung eintragen kann
- Oder man gibt die Bildbeschreibung in die Caption bzw. in den Posting-Text direkt hinein
Die letzte Variante bringt auch gleich den Awareness-Effekt: Personen werden durch die Sichtbarkeit der Bildbeschreibung darauf aufmerksam gemacht, auch eigene Postings inklusiver zu gestalten.
Kontrastchecks
Es gilt immer darauf zu achten, dass sich der Text gut vom Hintergrund abhebt. Für Menschen, die auch nur eine leichte Sehbehinderung aufweisen, ist es immens schwer, Texte zu lesen, die sich kaum vom Hintergrund abheben. Doch woher weiß ich, welcher Kontrast geeignet ist? Es gibt hier 2 Tools, die sehr hilfreich sind. Einerseits den WebAIM ContrastChecker, der mit Hilfe von Farbcodes arbeitet und andererseits den Colour Contrast Check, als Google Chrome PlugIn, der mittels Farbpinzette einen schnellen Check ohne Farbcodes ermöglicht. Generell ist liegt der Richtwert für einen guten Kontrast bei 4,5:1.
Untertitelung und Transkription von Videos
Dass Videos und Clips untertitelt werden, ist meistens, aufgrund anderer Anforderungen, bereits Standard. Trotzdem ist es wichtig, gerade in diesem Kontext zu erwähnen, dass man hierbei immer auf das 2-Sinne-Prinzip zu achten hat: Ton untertiteln & Text in Videos auch als Ton verbalisieren. Nützliche Tools, die bei der Vertonung und/oder Untertitelung unterstützen, sind CapCut, Adobe Premiere oder die YouTube-App selbst.
Camel Case
Speziell bei Instagram & Co werden häufig Hashtags verwendet, wobei es immer noch sehr umstritten ist, ob diese wirklich dazu führen, dass Postings besser gefunden werden. Speziell im Unternehmenskontext werden Hashtags aber auch als Branding genutzt, wie beispielsweise bei den Wiener Linien: #TeamÖffiLiebe. Verwendet man Hashtags, die aus mehreren Wörtern bestehen, so wie im Beispiel der Wiener Linien, ist auf den Camel Case zu achten. Dieser meint, dass jedes neue Wort mit einem Großbuchstaben beginnen sollte. Der einfache Grund dahinter ist, dass Menschen mit Sehbehinderung, die auf einen Screenreader angewiesen sind, die Hashtags so besser übermittelt bekommen. Der Screenreader erkennt erst durch die Verwendung von Großbuchstaben, dass es sich um ein neues Wort handelt und macht dementsprechend eine kurze Sprechpause. Deshalb bitte nicht so: #camelcase – sondern lieber so: #CamelCase
Schriften, Zeilenabstand, Emojis
Bei den verschiedensten Schriftarten, die man für Social Media Beiträge bereitgestellt bekommt, ist es ratsam, die Standardschrift, also serifenfreie Schrift zu verwenden. Die Schriftgröße sollte ausreichend sein und ein gewisser Zeilenabstand berücksichtigt werden – eine Gliederung der Inhalte kann hier behilflich sein. Wichtig ist jedenfalls, sparsam mit Emojis in Postings umzugehen, da der Screenreader jedes einzelne Emoji beschreibend vorliest. Sind dabei zu viele Emojis in Verwendung, so bekommt die Person wohl nicht mehr viel vom eigentlichen Inhalt zu hören.
Quelle: myAbility
Conclusio
Alle genannten Facts & Learnings sind keine umständlichen Maßnahmen, die eigene Tools oÄ erfordern. Es sind eher Kleinigkeiten, die aber für viele Menschen eine große Wirkung erzielen, wenn nicht für alle. Denn sind wir mal ehrlich: Wer freut sich nicht über Untertiteln bei Videos, damit man den Inhalt auch in der U-Bahn konsumieren kann, ohne dabei andere Menschen mit Musik und Tönen zu belästigen? Die Beispiele zeigen gut auf, dass Inklusion schon mit kleinen Änderungen gelingt, die auch leicht im Employer Branding bzw. den Personalmarketing-Maßnahmen von Unternehmen zu verankern sind. Noch einfacher wird es, wenn die Künstliche Intelligenz verstärkt in unser Leben treten wird. Denn auch diese ist ein wichtiger Hebel in Sachen Barrierefreiheit. Künstliche Intelligenz erstellt schon heute automatische Untertitel oder Alternativtexte und hilft auch bei der Textkorrektur auf inklusive, einfache und sensible Sprache. Man muss die KI nur dahingehend bedienen.
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Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und Gründerin des Blogs „Karrieregeflüster“. New Work sieht sie als Chance, die beste Version von uns selbst zu sein und somit nachhaltig die Arbeitswelt zu verändern.