Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und…
Ein Urteil des OLG in Hamburg sieht die Offenlegung der Klarnamen von kununu-Nutzer:innen vor, sollte ein Unternehmen Zweifel an der Echtheit einer Bewertung haben. Was dies genau bedeutet, welche Dynamiken durch ein partielles Ende der Anonymität entstehen können, und was es künftig braucht, damit kununu für die Nutzer:innen und Unternehmen relevant bleibt, liest du in diesem Artikel …
Wie funktioniert kununu?
kununu ist eine Online-Bewertungsplattform für Arbeitgeber:innen, auf der (ehemalige) Mitarbeitende und Bewerber:innen Unternehmen bewerten und Feedback geben können. Die Plattform wurde 2007 in Wien gegründet und wurde später von Xing (New Work SE), einem deutschen sozialen Netzwerk für berufliche Kontakte, übernommen. Auf kununu können Nutzer:innen Unternehmen anhand verschiedener Kriterien bewerten, darunter Arbeitsbedingungen, Unternehmenskultur, Work-Life-Balance, Vergütung und Managementstil. Die Bewertungen sind anonym, um den Nutzer:innen die Möglichkeit zu geben, ehrliche Meinungen zu teilen, ohne negative Auswirkungen fürchten zu müssen.
Arbeitssuchende verwenden kununu oft, um mehr über potenzielle Arbeitgeber:innen zu erfahren, indem sie Bewertungen und Kommentare der Mitarbeitenden bzw. Bewerber:innen lesen. Unternehmen können die Plattform nutzen, um Feedback zu erhalten und sich als attraktive Arbeitgeber:in zu positionieren. kununu hat im Laufe der Jahre an Bedeutung gewonnen und ist zu einer wichtigen Ressource für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen geworden, die sich für das Arbeitsumfeld und die Unternehmenskultur interessieren.
Das Urteil: kununu muss Klarnamen offenlegen
Das Oberlandesgericht Hamburg hat im Februar nun ein Urteil gefällt, dass das Geschäftsmodell von kununu nun ins Wanken bringt: Sollte ein Unternehmen Zweifel an der Echtheit einer Bewertung haben, ist die Plattform dazu verpflichtet den Klarnamen offenzulegen (Aktenzeichen 7W 11/24) oder die Bewertung zu löschen. Jede Person, die nun eine kritische Bewertung verfasst, trägt damit das Risiko seine/ihre Anonymität aufgeben zu müssen. Bisher lagen die Vorteile für Nutzer:innen klar auf der Hand:
- Transparenz: kununu bietet Nutzer:innen Transparenz über die Arbeitsbedingungen, die Unternehmenskultur und das Arbeitsumfeld verschiedenster Unternehmen
- Informationsquelle: Nutzer:innen können die Bewertungen und Kommentare der Mitarbeitenden lesen, um mehr über potenzielle Arbeitgeber:innen zu erfahren und fundierte Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft zu treffen
- Anonymität: Die Anonymität ermöglicht es den Nutzer:innen, ehrliche Meinungen und Erfahrungen zu teilen, ohne sich Sorgen um mögliche negative Konsequenzen seitens des Arbeitgebers machen zu müssen
- Feedback: Mitarbeitende können über kununu konstruktives Feedback geben, das Unternehmen helfen kann, ihr Arbeitsumfeld und ihre Unternehmenskultur zu verbessern
Durch dieses richtungsweisende Urteil, welches quasi den Kern der Unternehmensphilosophie betrifft, nämlich die Anonymität der Bewerter:innen, können andere Dynamiken entstehen, die neben Chancen auch Gefahren mit sich bringen.
Plötzlich identifiziert: die Gefahren
„Es kommt drauf an.“ Natürlich lassen sich nicht alle Unternehmen in einen Topf schmeißen. Die Klarnamen der Bewerter:innen zu erfahren, kann manche Arbeitgeber:innen zu Höchstleistungen anspornen im Sinne einer verbesserten Kommunikation und somit auch verstärkt Verantwortung zu übernehmen. Nichtsdestotrotz birgt die plötzliche Identifikation einzelner Personen auch Gefahren:
- Rache oder Vergeltung: Wenn Unternehmen die Klarnamen erfahren, könnte dies zu Racheaktionen oder Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Mitarbeitenden führen, die negative Bewertungen abgegeben haben. Dies könnte das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Plattform untergraben und sie möglicherweise davon abhalten, ehrliche Meinungen zu teilen.
- Einschüchterung und Zensur: Die Offenlegung der Klarnamen könnte dazu führen, dass Mitarbeitende sich unsicher fühlen und möglicherweise zögern, kritische Meinungen zu äußern, aus Angst vor negativen Konsequenzen seitens der Arbeitgeber:innen. Dies könnte zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit und einer Zensur von Feedback führen.
- Verlust der Anonymität: Die Anonymität ist ein wichtiger Faktor, der es den Mitarbeitenden ermöglicht, offen und ehrlich über ihre Erfahrungen zu sprechen. Die Offenlegung der Klarnamen könnte dazu führen, dass sich Mitarbeitende weniger frei fühlen, ihre Meinungen zu teilen, was die Qualität und Vielfalt der Bewertungen auf der Plattform beeinträchtigen könnte.
Ausblick: Es braucht ein Fresh-Up!
Ich selbst bin auf dieser Plattform schon seit Jahren unterwegs: Einerseits bewerte ich regelmäßig meine eigene Arbeitgeberin, andererseits bin ich für die Beantwortung der Bewertungen zuständig. Ich lese also sehr viele Bewertungen und habe durch die letzten Jahre ein gutes Gefühl für die Qualität dieser bekommen. Wie auch bei anderen Bewertungsplattformen (für Hotels, Essen etc.) gibt man bei einer negativen Erfahrung eher eine Bewertung ab, als wenn man zufrieden ist. Dies spiegelt sich sehr stark auf Kununu wider und beeinflusst immens die Qualität der Rückmeldungen. Es finden sich also kaum Bewertungen, die Feedback enthalten, mit dem man gut weiterarbeiten kann. Typisch ist eher ein allgemeines „auskotzen“, meist sogar nur mit einer Sternebewertung und ohne Erklärtext.
Somit ist das Urteil des OLG Hamburg für mich einerseits total nachvollziehbar, da man sehr leicht und willkürlich einem Unternehmen mit einer oder mehreren öffentlichen negativen Bewertungen schaden kann. Als Unternehmen hatte man bis dato kaum Handhabe dagegen vorzugehen. Auch das Löschen von Bewertungen auf kununu erinnert eher an das Besorgen des Passierscheins A38 bei Asterix & Obelix. Trotzdem ist das Problem mit dem bloßen Veröffentlichen von Klarnamen nicht gelöst. Es kann sogar dazu führen, dass sich niemand mehr Kritik üben traut, aus Angst vor negativen Konsequenzen. Genau dies soll nun auch nicht Sinn der Sache sein. Meiner Meinung nach braucht es Maßnahmen, um die Qualität für Nutzer:innen, aber auch für Unternehmen zu verbessern:
verifizierte Bewertungen
Die Einführung eines Verifizierungsprozesses für Bewertungen könnte dazu beitragen, die Authentizität und Glaubwürdigkeit der auf der Plattform veröffentlichten Bewertungen zu erhöhen. Dies könnte beispielsweise durch Überprüfung der Beschäftigungsverhältnisse der Bewerter:innen erfolgen.
Moderation & Qualitätskontrolle
Eine strengere Moderation und Qualitätskontrolle der auf der Plattform veröffentlichten Inhalte könnte sicherstellen, dass Bewertungen den Richtlinien der Plattform entsprechen und sachlich sowie konstruktiv sind.
Transparente Richtlinien
Die Plattform sollte klare und transparente Richtlinien für die Bewertungen und Kommentare der Nutzer:innen bereitstellen, um Missbrauch zu verhindern und sicherzustellen, dass alle Bewertungen fair und informativ sind.
verbesserte Filterfunktion
Eine verbesserte Filterfunktion könnte es Nutzer:innen ermöglichen, Bewertungen basierend auf verschiedenen Kriterien wie Standort, Abteilung oder Beschäftigungszeitraum zu filtern, um relevante und personalisierte Informationen zu erhalten.
Datenschutz & Anonymität
kununu sollte weiterhin sicherstellen, dass die Privatsphäre und Anonymität der Nutzer:innen geschützt sind, um sicherzustellen, dass sie sich frei fühlen, ihre Meinungen zu teilen, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Identität preisgegeben wird.
verbesserte Benchmarking-Tools
Die Einführung von verbesserten Benchmarking-Tools könnte es Unternehmen ermöglichen, ihre Leistung im Vergleich zu anderen Unternehmen ihrer Branche oder Region mitzuverfolgen und darüberhinaus auch Best Practices zu identifizieren.
Ideen gibt es viele, jetzt liegt’s an euch liebes kununu-Team 🙂
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Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und Gründerin des Blogs „Karrieregeflüster“. New Work sieht sie als Chance, die beste Version von uns selbst zu sein und somit nachhaltig die Arbeitswelt zu verändern.