Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und…
Müssen wir den Generationen-Begriff erst de-konstruieren, damit unsere New Work-Strategie wirksam wird? Führt der Fokus auf Gemeinsamkeiten der Wertvorstellungen aller Generationen zu größerem Erfolg, als jener auf Unterschiede? Diese und viele weitere Fragen, möchte ich in diesem Beitrag beantworten und zur Diskussion stellen …
Das GenQuiz
Diese Woche durfte ich einen Impulsvortrag beim period. Symposium halten, wo sich alles um die Themen Recruiting, GenZ & Fachkräfte drehte. Aufgrund des äußerst positiven Feedbacks und des vielfachen Wunsches, möchte ich nun hier meinen Vortrag verschriftlichen. Starten wir am besten mit einem kleinen GenQuiz zur Auflockerung:
Welche Generation wurde mit Eigenschaften wie „faul“, „zynisch“ oder „unzufrieden“ beschrieben?
Welche Generation wird umgekehrt als besonders „aktiv“, glücklich“ und mit dem Begriff guter „Work- Life-Balance“ charakterisiert?
Welche Angehörigen der sogenannten „stillen Generation“ füllen mit ihren Rockkonzerten weltweit Stadien?
Welche Generation gilt als besonders sensibel?
Hast du schon eine Idee, welche Generationen hier gemeint sein könnten? Zur Erinnerung nochmals, hier die Timeline, anhand derer die verschiedenen Generationen nach Jahren beschrieben werden:
Bevor es jedoch die Auflösung meines kleinen Quizes gibt, möchte ich noch darauf eingehen, woher der Begriff „Generation“ überhaupt kommt.
Konstruktion von Generationen-Denken
Der Begriff „Generation“ stammt ursprünglich vom lateinischen Wort „generatio“, was so viel wie „Zeugung“ bedeutet. Somit kommt der Begriff aus der Biologie, wo man versuchte, die verschiedenen Nachkömmlinge eines Stamms zu beschreiben. An sich ist der Begriff schon sehr alt bzw. wird bereits sehr lange verwendet. Bereits Aristoteles meinte einst:
„Wenn ich die junge Generation anschaue, verzweifle ich an der Zukunft der Zivilisation“
Aristoteles, 384- 322 v. Chr.
Die 3 Generationszusammenhänge
Die erste wissenschaftliche Theorie zu den Generationen entwickelte der Soziologe Karl Mannheim Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Generationenforschung bildet also einen fast 90-jährigen Forschungsstrang. Diese geht von 3 Generationszusammenhängen aus, damit man überhaupt von Generationen sprechen kann:
- zeitliche Lagerung von Individuen in einer Gesellschaft (bildet den Rahmen)
- gemeinsames Erleben von Schicksalen / Teilnahme von denselben geistigen und sozialen Inhalten
- einheitsstiftende Faktoren (zB Naturkatastrophen, Pandemie etc.)
Der Generationen Gap
Der Generationen-Gap, den wir heute kennen und wahrnehmen, hat sehr stark mit dem gesellschaftlichen Wandel, aber vor allem mit der zunehmenden Technologisierung zu tun. Vor der Industrialisierung gab es weniger Generationenimpulse. In landwirtschaftlichen Gesellschaften beispielsweise fand der soziale Wandel sowie der Wertewandel deutlich langsamer statt. Meint, dass die Werte von jungen Generationen sehr ähnlich jener von ihren Eltern und Großeltern waren. Wie einzelne Generationen heutzutage geprägt werden hängt von der Geschwindigkeit kulturellen und sozialen Wandels ab.
Werden in zukünftigen Gesellschaften vermehrt Prozesse im öffentlichen Raum automatisiert und durch Algorithmen organisiert, wird das für die Nachfolgegeneration, die Generation Alpha (Jg. ab 2011), als Selbstverständlich wahrgenommen. So interpretiert jede Jugendgeneration ihre Lebenswelt immer auf Basis dessen, was als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird.
Institut für Generationenforschung
Das GenQuiz – die Auflösung
Dazu muss erwähnt werden, dass immer mehr Studien zu Generationen erscheinen, deren Hintergrund fragwürdig ist und die vor allem nicht mehr nach wissenschaftlichen Standards arbeiten. Eine regelrechte „Marketingisierung“ hat also stattgefunden. Es ist daraus bereits ein sehr großer Markt entstanden, mit dem sich viel Geld verdienen lässt. Denn: Wer möchte denn nicht die GenZ verstehen wie sie tickt? So wird die Deutung von den verschiedenen Generationen fast schon zum Horoskope-lesen: Manchmal passen die stereotypen Beschreibungen mehr mit der eigenen subjektiven Wahrnehmung zusammen, manchmal weniger. Passend dazu, möchte ich auch nun die oben gestellten Quizfragen auflösen:
Welche Generation wurde mit Eigenschaften wie „faul“, „zynisch“ oder „unzufrieden“ beschrieben?
Welche Generation wird umgekehrt als besonders „aktiv“, glücklich“ und mit dem Begriff guter „Work- Life-Balance“ charakterisiert?
Faulheit, Zynismus und Unzufriedenheit wurden der Generation X attestiert, als sie noch die MTV-Generation war, und ehe ihr spätere Studien bescheinigten, „aktiv“, „unternehmerisch“ und „produktiv“ zu sein. Kein Wunder, denn ihrem Alter nach stellen diese Geburtsjahrgänge die Mehrheit in den Vorstandsetagen.
Welche Angehörigen der sogenannten „stillen Generation“ füllen mit ihren Rockkonzerten weltweit Stadien?
Die gesuchten Vertreter der „Silent Generation“ sind alles andere als still, denn die Rolling Stones füllen seit Jahren weltweit Stadien und begeistern jung und alt mit ihrer Musik.
Welche Generation gilt als besonders sensibel?
Als besonders sensibel galten bis vor einigen Jahren die Millennials, bis eine Studie der Michigan State University die Boomer als übersensibel entlarvte. Wir alle kennen ja die Ansprache „Hey, Boomer!“, die plakativ für die Übersensibilität steht.
De-Konstruktion von Generationen-Denken
Viele Unternehmen haben großes Interesse daran, vor allem die junge Generation, also die GenZ für sich zu gewinnen. Deshalb boomt der Markt gerade mit Vorträgen, Workshops, Studien uvm. wie man genau diese Zielgruppe anspricht und vor allem, welche Interesse diese hat. Dabei kursieren auch viele stereotype Beschreibungen, wie: „Die GenZ ist faul, möchte nicht arbeiten, aber dafür viel „Life“ haben.“ Vielleicht kennst du ja jemanden, der jemanden kennt, auf den diese Beschreibung sogar zutrifft. Doch werfen wir hierfür einen Blick auf die Zahlen und Erkenntnisse einer wissenschaftlichen Studie von Unternehmerin Vanessa Jobst-Jürgens.
Unterschiede oder doch Gemeinsamkeiten?
In ihrer New Work Studie, untersuchte Vanessa Jobst-Jürgens die Bedürfnisse und Wünsche verschiedener Arbeitnehmer:innen-Gruppen. Das Sample umfasste insgesamt 1.200 Personen im Alter zwischen 14 und 69 Jahren, ausgewogen zwischen den Generationen Z,Y,X und Babyboomer, sowie Eltern und Pflegend Beschäftigte. Ihre Untersuchung basierte auf verschiedenen Wertegruppen, die mit New Work Jobs in Verbindung gebracht werden. Die stärkste Zustimmung (über 75 %) über alle Generationen hinweg, bekamen folgende Werte:
Kommunikation
Führungsverhalten
Unternehmenskultur
Gleichberechtigung
Potential für Gemeinsamkeiten
Als Unternehmen kann man sich anhand der Studienergebnisse nun die Frage stellen: Richte ich meine New Work-Strategie anhand von Unterschieden aus, oder fokussiere ich mich auf Gemeinsamkeiten? Vertraue ich „Studien“, die mir bescheinigen, wie eine gewisse Generation ist und denkt, oder konzentriere ich mich auf die Menschen und ihre jeweiligen Bedürfnisse? Die Welt ist komplexer als man denkt und natürlich hilft hier eine gewisse Kategorisierung, um sie greifbarer zu machen. Ich denke, es kommt auf immer stark auf den Kontext darauf an, wie und wann ich von Generationen spreche. Trotzdem plädiere ich auf eine menschenfokussierte Transformation, die das Potential von Gemeinsamkeiten im Fokus hat.
Nehmen wir als Beispiel die Elternschaft: Mutter und Vater zu werden kann man bereits in sehr jungen Jahr, oder aber auch viel später – und dazwischen natürlich auch. Damit einhergehend wird die Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Freunde, Hobby ein immer wichtigeres. Auch das Thema alternative Karrieremodelle (Teilselbstständigkeit, Mosaikkarrieren etc.) betrifft alle Alterskohorten. Psychische Erkrankungen orientieren sich nicht an einer gewissen Generation, sondern betreffen alle Menschen, die in einem ungesunden Arbeitsumfeld tätig sind – egal in welchem Alter. Speziell auch die New Pay-Thematik orientiert sich an der Tätigkeit bzw der Leistung und nicht zwingend an Ausbildung und Alter.
Impulsfragen
Es gibt bei diesem Thema nicht die eine Wahrheit und den einen gültigen Weg. Im Gegenteil, es gibt hier viele Meinungen und Ansätze, über die man diskutieren kann. Deshalb möchte ich auch dir, meine Impulsfragen zum Weiterdenken und -diskutieren mitgeben – genauso wie den Teilnehmenden am Symposium. Viel Spaß damit! Ich freue mich natürlich auch auf dein Feedback! Hinterlasse mir gerne einen Kommentar weiter unten.
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Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und Gründerin des Blogs „Karrieregeflüster“. New Work sieht sie als Chance, die beste Version von uns selbst zu sein und somit nachhaltig die Arbeitswelt zu verändern.