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In der Krise: Die Angst davor ersetzt zu werden

In der Krise: Die Angst davor ersetzt zu werden

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“Bin ich die nächste?” Ein Satz, den sich viele Menschen in den vergangenen Monaten der Pandemie und Wirtschaftskrise gedacht haben. Auch damals, als die Wirtschaftskrise 2009 in Österreich ankam, steckte ich gerade mitten in meinem ersten Vollzeitjob. Der Rotstift wurde damals angesetzt und eine große Kündigungswelle war im Anmarsch. “Jede/r ist ersetzbar” war plötzlich kein flapsiger Spruch mehr, sondern spürbare Realität und damit kam auch die Angst in der Krise. Die tägliche Angst davor, ersetzt zu werden …

2009 – Die Weltwirtschaftskrise schlug zu

Wir schreiben das Jahr 2009. Die Weltwirtschaftskrise hat bereits ihre Kreise in der österreichischen Wirtschaft gezogen und ließ die positive Aufbruchsstimmung kippen. Diese Zeit war geprägt von einer Angstkultur in den meisten Unternehmen, da große und lukrative Aufträge wegbrachen und plötzlich der Rotstift angesetzt werden musste, um so das Fortbestehen zu sichern. Die erste Sparmaßnahme in dieser Krise, die auch hier zu tragen kam war Personalabbau. Mitarbeiter:innen sind eine wertvolle, aber auch zumal die teuerste Ressource, die in Krisenzeiten leider immer zu allererst gekürzt wird. Gibt es sogenannte Kündigungswellen, dann geht dies nicht spurlos an der Kultur einer Organisation vorbei. Werden auf einmal langjährige Kolleg:innen gekündigt oder mit einem “Golden-Handshake” verabschiedet, dann stößt dies nicht immer auf das Verständnis aller anderen. Nämlich jene, die ja weiterhin im Unternehmen verbleiben und motiviert ihre Tätigkeiten verrichten sollen.

Ich selbst war damals in einer solchen Organisation tätig, die kräftig den Rotstift ansetzte – und zwar quer durch alle Hierarchien. Den Beginn machte die Management-Ebene, die nach und nach komplett ausgetauscht wurde. Am Freitag beispielsweise verabschiedete sich meine Führungskraft von unserem Team, selbst geschockt und mit Tränen in den Augen. Montags saß schon jemand neuer auf deren Platz und stellte sich uns als unser neuer Vorgesetzter vor. Fast zeitgleich wurden auch hier und dort Kolleg:innen aus den verschiedensten Abteilungen aufgrund von Einsparungsmaßnahmen durch die Krise gekündigt. Was blieb war die Angst, die sich bei allen anderen schon damals wie ein gefährliches Virus breitmachte.

„Ich erlebte, wie eine solche Krise es schaffte, das Arbeitsklima wie eine Seuche zu vergiften und regelrecht zu überfluten.“

Andrea, Karrieregeflüster

Die Krise: Plötzlich steht man ohne Job & ohne Kolleg:innen da

Es war mein erster Job, den ich Vollzeit ausübte und in den ich natürlich alle Hoffnung und Ambition gesetzt hatte. Den 1. Job vergisst man nie, genauso wie den 1. Arbeitstag. Dieser bleibt im Gedächtnis haften, wie ein Post It auf den noch etliche To Do’s stehen und man es deswegen nicht wegwerfen kann. Ich wollte mein Bestes geben, endlich zeigen können, was ich kann – oder auch nicht, denn nach Abschluss eines Studiums fühlt man sich eher so, als hätte man die letzten Jahre gar nichts “für’s Leben” gelernt. Dies tat ich auch so gut es geht und ging jeden Tag voller Elan und natürlich mit einer großen Portion Naivität zur Arbeit. Ich verstand mich auf Anhieb mit meinen Kolleg:innen, knüpfte Kontakte und bekam von Tag zu Tag immer neue Aufgaben übertragen. Kurz um: Ich war stolz gleich nach dem Studium einen Job in einem Bereich gefunden zu haben, in den ich schon immer arbeiten wollte.

In der Krise: Die Kündigungswelle geht los!

Doch plötzlich – gefühlt von heute auf morgen – ging es mit den Kündigungswellen los und ich bekam hautnah mit, wie Menschen, die ihren Job bereits jahrelang ausübten, auf einmal gehen mussten. Auch, dass dies nicht immer fair war und oft mit viel Schmerz und Leid verbunden war, ging nicht an mir vorüber. Schon früh machte sich ein neues Gefühl in mir breit: Die Angst davor, ersetzt zu werden. Ich erlebte auf einmal wie leicht es war, den heißgeliebten Job zu verlieren und fortan ohne Tätigkeiten und Aufgaben dazustehen. Ohne Kolleg:innen, ohne Arbeitsumfeld. Ich erlebte, wie eine Krise es schaffte, das Arbeitsklima wie eine Seuche zu vergiften und regelrecht zu überfluten. Am Monatsende, wo es eben aufgrund von Kündigungsfristen häufiger zu solchen kommt, wurden bereits “Witze” gerissen. Wer ist als nächstes dran? Es folgten Aussagen wie: “Oh, nächste Woche haben wir ja bereits den 31., ich glaub ich muss mir noch schnell Urlaub nehmen!”

„Jetzt ist es soweit! Ich bin wohl die nächste!“

Der Spruch: “Jede/r von uns ist ersetzbar” ist zwar kein unbekannter und auch irgendwo verständlich, aber hat man eine derartige Situation selbst noch nie durchgemacht, dann versteht man ihn nicht so wirklich. Man kennt die Gefühle, die dieser Satz auslösen kann nicht und spürt nicht die Angst, die damit verbunden ist. Jedes Mal, wenn mein Vorgesetzter zu mir ins Büro kam und mich sprechen wollte, zuckte ich zusammen. Mir wurde übel, denn ich dachte “So, jetzt ist es soweit! Ich bin wohl die nächste!”

Zum Glück kam es nie so weit, denn ich hielt es in einem derart vergifteten Umfeld selbst nicht aus und ergriff für mich die Initiative. Ich suchte mir einen neuen Job, den ich auch recht schnell fand und konnte somit guten Gewissens kündigen. Anscheinend hatte ich das richtige Gespür, denn meine damalige Führungskraft nahm meine Kündigung mit einem verschmitzten Lächeln hin und meinte nur: “Da bist du mir ja zuvorgekommen”. Ich erschrak, da sich meine Ängste, gekündigt und somit ersetzt zu werden, hiermit bestätigten. Doch kurz danach war ich selbst stolz auf mich, die Situation richtig erkannt und dementsprechend gehandelt zu haben.

Krisenzeiten & Resilienz

Das war meine ganz persönliche Geschichte. Vielleicht geht’s dir gerade ähnlich, hoffentlich natürlich nicht. Die Pandemie und die derzeitige Wirtschaftskrise, die sich langsam wieder zu erholen scheint geht nicht spurlos an uns vorbei. Wichtig ist, dass wir diesen Blick und somit unsere Sensibilisierung nicht verlieren, wie schnell sich ein (Arbeits-)leben ändern kann, wie schnell man ohne Job dastehen kann. In den meisten Fällen kann man selbst nichts dafür, sondern es passiert aufgrund von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, schlechten Auftragslagen uvm. Die eigene Resilienz zu stärken und damit auch in Krisenzeiten durchzuhalten, wird ein immer wichtigeres Skill, welches wir nicht außer Acht lassen dürfen. Hol dir Hilfe, wenn du sie brauchst: „It’s ok not to be ok!“

Key Take Aways:

Krisenzeiten können immer wieder kommen, deshalb: Setze dich mit deinen Ängsten auseinander

See Also
Sinn der eigenen Arbeit

Versuche deine Ängste nicht zu bewerten und den/die Starken zu spielen

Nimm diese wahr und vor allem: Nimm sie an – sie sind ein Teil von dir

Menschen sind dafür geschaffen Krisen zu bewältigen, deshalb glaub an dich! Du wirst es schaffen!

#LinkBox

MedUni Wien: Bericht zur ersten Welle Covid-19 Mental Health in Österreich

Job & Corona Informationsplattform von AK & ÖGB

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