Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und…
Es ist wieder so weit! Auch 2024 stehen wieder einige New Work-Themen im Fokus, die das Potential haben, sich zu echten Gamechangern zu entwickeln. Welche dies sind, erfährst du in diesem Artikel …
Trends: kommen und gehen?
Ein bisschen wird’s ja schon zur Tradition, denn bereits letztes Jahr habe ich einen Artikel zu den New Work Trends 2023 verfasst. Schon damals habe ich attestiert: New Work ist gekommen, um zu bleiben – und ja, das gilt auch heute noch. Ich habe jedoch länger überlegt, ob ich auch dieses Jahr einen Artikel zu den aktuellen New Work Trends verfassen soll, da ich mir mit der Begrifflichkeit nicht ganz sicher bin: Trends sind für mich Themen, die rasch aufkommen, aber dann auch bald wieder verblassen. New Work an sich ist für mich kein Trend, der kommt und geht, sondern ein riesiger Change Prozess, der die gesamte Arbeitswelt betrifft. Dabei gilt es nicht nur neue Maßnahmen umzusetzen, sondern vor allem auch das Mindset dahingehend zu verändern und weiterzuentwickeln.
Nichtsdestotrotz habe ich mich dazu entschlossen diesen Artikel zu schreiben, da ich es wichtig finde, neue Stoßrichtungen und Themen aufzuzeigen, um auch wiederum für Sensibilisierung zu sorgen. Für die bessere Zuordnung belasse ich es unter dem Titel „Trends“, jedoch unter der Prämisse der Nachhaltigkeit und nicht der Vergänglichkeit.
Woher kommen die Trends eigentlich?
Eine berechtigte Frage, die sich wahrscheinlich schon jede/r von uns gestellt hat, sobald er/sie von Trends liest, ist jene, wie man zu diesen eigentlich kommt? Wer gibt Trends vor? Wer hat die Kompetenz einzuschätzen, was trended und was nicht? Pickt sich jede/r einfach etwas raus, worauf er/sie gerade Lust hat oder wir funktioniert das eigentlich? Meine Antwort: Es kommt darauf an. Auf der einen Seite gibt es Organisationen, die Meinungsumfragen und/oder Studien zu diesem Thema durchführen. Auf der anderen Seite sind dies Expert:innen, die aufgrund von diesen Studien, aber auch von Büchern, Magazinen, Podcasts, Veranstaltungen und dem eigenen Netzwerk, Schwerpunktthemen definieren können.
So ist auch mein Zugang: Ich befasse mich mit dem Thema New Work nicht nur im Zuge meiner Arbeit, sondern auch in meiner Freizeit. Ich höre einschlägige Podcasts, besuche interessante New Work Veranstaltungen, pflege mein Netzwerk persönlich oder virtuell auf LinkedIn, aber vor allem lese ich sehr viel. Ein wichtiges Dokument, welches mir in meiner Recherche für die Trendthemen 2024 geholfen hat, ist der HR Trends Report 2024 von Personio. Die 11 beschriebenen Trends wurden aufgrund einer Befragung der HR TOP Voices 2023 (zu denen ich mich auch zählen darf) aus Deutschland & Österreich zusammengestellt. Sie befassen sich mit der bevorstehenden Transformation von HR, die ein strategisches Mitwirken derselben voraussetzt, um den Unternehmenserfolg aktiv mitgestalten zu können.
Das sind die New Work Trends 2024
Ich möchte hier nochmals betonen, dass sich die hier beschriebenen Trends nicht dadurch auszeichnen, dass sie nur kurz in aller Munde sind und nach einiger Zeit wiederum von der Bildfläche und aus dem Diskurs verschwinden. All diese Themen im New Work Kontext sind wichtige Stoßrichtungen, die aufgegriffen und individuell je nach organisationalem Kontext verwertet werden sollten.
Generative AI / Künstliche Intelligenz
Ich möchte gleich mit einem allgegenwärtigen Thema beginnen, welches uns 2024 mindestens genauso stark begleiten wird, wie bereits 2023. Das Thema Künstliche Intelligenz ist sehr präsent und wird hier und da auch schon im Unternehmenskontext eingesetzt. Wenn nicht bereits jetzt, dann sehr bald, gibt es Policies und Regelwerke aus der IT Security, die den Umgang damit regeln. Meiner Meinung wird das Thema KI verstärkt in den Fokus und auch bald in unsere tägliche Arbeit rücken, wenn nicht sogar unsere Arbeitsabläufe oder gar ganze Jobs verändern. Die Frage „Wie schreibe ich einen Prompt?“ wird bald so komisch klingen wie die Frage „Wie benutze ich das Internet?“.
Unternehmen produzieren darüber hinaus immer mehr Daten, die auch verarbeitet werden wollen. Die Herausforderung von HR wird sein, mehr datenunterstützte Prozesse, Maßnahmen und Entscheidungen zu setzen, diese zu digitalisieren sowie automatisieren und dabei nicht den Mensch, der immer am Ende dieser Kette steht, zu vergessen. Dies setzt eine gewisse Positionierung von HR voraus. Nämlich jene als strategisch wichtige/n Partner:in, der/die auf Augenhöhe mit dem Management agiert.
Growth Mindset
„New Work needs inner work“ lautet ein bekannter Buchtitel. Dieser beschreibt genau jenen Umstand, den ich bereits weiter oben erläutert habe. New Work bedeutet nicht einige Maßnahmen umzusetzen und dann „bin ich damit fertig“. Es beschreibt den Wandel der Arbeitswelt und damit auch einen Wertewandel. Dieser schlägt sich unumgänglich auch in einem neuen Mindset nieder, also wie ich mich selbst als arbeitende Person im System Arbeit sehe. Die Neurowissenschaften belegen, dass der Mensch sein ganzes Leben lang zu lernen vermag (Stichwort: Life Long Learning). Das Sprichwort: „Was Hänschen nicht lernt, lernt auch Hans nicht mehr“ wurde also wissenschaftlich widerlegt.
Das sogenannte „Fixed Mindset“, also zu glauben, dass gewisse Kompetenzen und Fähigkeiten nur einmal erlernt werden müssen oder sogar angeboren sind und man darüber hinaus keine weiteren Möglichkeiten mehr hat, hat ausgedient. Der Gegenpart, also das „Growth Mindset“ geht davon aus, dass Stärken und Fähigkeiten immer weiter entwickelt werden können, dass man selbst wachsen kann und nie ausgelernt hat. Man könnte es auch kurz als „Wachstumsdenken“ beschreiben. In einer Welt, in der „Change“ eher zur Regel, als zur Ausnahme wird, ist dieses Mindset vor allem ein wichtiger Faktor für die eigene Resilienz.
New „Individual“ Leadership
Sprechen wir von Wertewandel ist, dann sind auch die Führungskräfte nicht mehr weit. Denn diese Zielgruppe hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Kultur einer Organisation und damit auf die Werte, die gelebt werden – oder eben auch nicht. Dabei meint das neue Führungsverständnis im New Work-Kontext vor allem Individualität. Das „Gießkannen-Prinzip“, mit dem Maßnahmen über alle Mitarbeitenden verteilt wurden, hat ausgedient. Führungsarbeit ist komplexer geworden und erfordert nicht nur ein neues Mindset, sondern auch neue Kompetenzen. Wichtige Faktoren sind hier Empathie, Emotionale Intelligenz, Stärkenorientierung und damit die Fähigkeit, psychologische Sicherheit herzustellen.
Dabei gilt es, den Anspruch an Individualität nicht nur an die Führungskräfte zu stellen, sondern auch die Entwicklung dieser individueller zu gestalten. Auch hier hat das bereits erwähnte „Gießkannen-Prinzip“ ausgedient. Es gibt nicht nur „die eine“ Führungskraft, sondern Menschen, die unterschiedliche Motivation, Erwartungen und Herangehensweisen aufweisen.
Retention ist das neue Recruiting
Die demographische Entwicklung war ein wichtiger Anstoß und Treiber für den Wandel in der Arbeitswelt. Sie ist vor allem ein indiskutables Faktum, wenn es darum geht, neue Talente zu gewinnen. Noch vor kurzem legten viele Unternehmen stark den Fokus auf die Gewinnung von neuen Mitarbeitenden. Jene, die bereits in den Organisationen arbeiteten, versuchte man zwar zu servicieren, doch die eigenen Ressourcen wurden prioritär anderweitig eingesetzt. Ein New Work Trend, der eigentlich gar keiner mehr sein sollte, ist also den Schwerpunkt vermehrt auf die Mitarbeitenden zu legen. Dabei gilt es die sogenannte „Employee Journey“ im „Employee Lifecycle“ bedürfnisorientiert zu gestalten. Auch hier sollte man auf die bereits genannte „Gießkanne“ verzichten.
Meiner Meinung nach geht es hier verstärkt um die Haltung, mit der man den Mitarbeitenden begegnet. Es geht um Partizipation, Förderung von Engagement, sowie die Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen. Aber auch lebensphasenorientierte Benefits und ein betriebliches Gesundheitsmanagement, welches sich an der physischen und psychischen Gesundheit gleichermaßen orientiert, sind notwendig, um Mitarbeitende nachhaltig an das Unternehmen zu binden.
Employer Branding als Must-Have
Verinnerlicht und setzt man die oben genannten Themenfelder individualisiert im Unternehmenskontext um, dann fehlt eigentlich nur mehr ein wichtiger Hebel: Employer Branding. Tu Gutes und sprich darüber! Dieses Credo gilt intern, sowie extern. Authentisches Employer Branding zahlt einerseits stark in das Retention Management ein, anderseits auch in die Gewinnung neuer Talente für das Unternehmen. Somit ist es nicht als Nice-2-Have-Tool anzusehen, sondern als wichtiges strategisches Instrument, um den unternehmerischen Erfolg zu sichern. Es gibt mehrere Wege authentisches Employer Branding zu betreiben. Zwei Tools möchte ich hier exemplarisch herausgreifen, da deren Potential bislang noch recht ungenützt ist.
Zum einen das Influencer Marketing, also die Zusammenarbeit mit bekannten Influencer:innen, die das Unternehmen bzw. Jobs vorstellen oder sogar selbst mitarbeiten. Durch ihre Authentizität und wie sie Stories über die Kultur, die Jobs uvm. erzählen, profitiert das Unternehmen immens und erschließt dabei noch weitere Zielgruppen, also potentielle Mitarbeitende. Zum anderen, und dies ist meiner Meinung nach der wichtigste Hebel in Sachen Employer Branding, gilt es die eigenen Mitarbeitenden als Botschafter:innen bzw. Influencer:innen (= Corporate Influencer:innen) zu gewinnen. Nur sie können das Vertrauen in die Aussagen einer Arbeitgebenden-Marke erhöhen, aufgrund der persönlichen Geschichten, die sie im Arbeitskontext nach innen sowie nach außen erzählen.
… nicht zu vergessen
Diese 5 Schwerpunkte werden uns, aus meiner Perspektive, 2024 jedenfalls begleiten. In welcher Intensität dies geschehen wird, bleibt abzuwarten. Fakt ist aber auch, dass sie Ende des Jahres nicht erfolgreich abgeschlossen sein, sondern uns die kommende Jahre weiterhin begleiten werden. Deshalb möchte ich auch in diesem Artikel unbedingt auf zwei Trends aus dem Vorjahr Bezug nehmen, die es auch 2024 explizit zu erwähnen gilt: New Work im Blue Collar Bereich und DEI (Diversity, Equity & Inclusion). Nur weil sie 2023 als Trends gegolten haben, heißt es noch lange nicht, dass sie damit 2024 nicht mehr relevant sind – im Gegenteil. Diese beiden Themenbereiche sind meiner Meinung nach „Dauerbrenner“, die uns viele weitere Jahre begleiten werden (müssen).
Personaler:innen stehen 2024 vor einer zentralen Herausforderung: Technologie und Menschlichkeit so zu vereinen, dass Prozesse reibungslos laufen und HR mehr Zeit für ihre Mitarbeitenden hat. Welche Trends diese Transformation ermöglichen und welche Skills dafür benötigt werden, erfährst du im HR Trends Report 2024 von Personio.
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Andrea König ist Soziologin, Business Mental Coach, New Workfluencer und Gründerin des Blogs „Karrieregeflüster“. New Work sieht sie als Chance, die beste Version von uns selbst zu sein und somit nachhaltig die Arbeitswelt zu verändern.